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Nachweis-Stempel zur Tauglichkeitsuntersuchung für das Gefangenenlager I Rodgau in Dieburg, 19.7.1940
Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden
Der Schiffsheizer Franz Hartel wurde im April 1940 verurteilt, weil er im betrunkenen Zustand zwei junge Frauen sexuell belästigt hatte.
Das Gericht wies in der Urteilsbegründung mehrfach darauf hin, dass es den Angeklagten für „aussergewöhnlich beschränkt“ hielt, sah aber keine Notwendigkeit, die Schuldfähigkeit Franz Hartels formell zu prüfen. Da der Angeklagte nach Meinung der Richter geistig gar nicht fähig gewesen sei zu erkennen, dass er die zum Tatzeitpunkt angeordnete Verdunklung hätte ausnützen können, lehnten sie zwar eine Strafverschärfung wegen Verstosses gegen die ‚Volksschädlingsverordnung’ ab – diese Verordnung ließ zu, dass jede Tat, die unter Ausnutzung des Kriegszustandes begangen wurde, mit einer verschärften Strafe bis hin zur Todesstrafe belegt werden konnte. Doch sie verhängten die zulässige Höchststrafe von zweieinhalb Jahren Gefängnis, da sie befanden, dass „in Kriegszeiten jede vermeidbare Beunruhigung des Volks ausgeschaltet werden muss und dass deshalb bei Belästigungen, denen Frauen und Mädchen auf offener Strasse ausgesetzt sind, besondere Strenge angebracht ist. Die hochgradige Beschränktheit Hartels, die schon als Schwachsinn zu bezeichnen ist, vermag demgegenüber keine Nachsicht zu rechtfertigen.“
Franz Hartel wurde am 10.7.1940 in das Diezer Gefängnis überstellt; eine erste ärztliche Untersuchung bescheinigte ihm, dass er „für Küche und Hausarbeit geeignet“ sei. Das hier gezeigte Dokument belegt eine zweite Untersuchung nur eine Woche später: Anstaltsarzt Schäf erklärte Franz Hartel für tauglich, in das ‚Gefangenenlager I Rodgau in Dieburg’ überstellt zu werden. Dieses Justiz-Lager gehörte zu einem in Südhessen gelegenen Lagersystem aus drei Hauptlagern und mehr als 20 Außenkommandos. Gefangene mussten hier unter lebensfeindlichen Bedingungen Zwangsarbeit in der Urbarmachung von Land und in der Rüstungsindustrie leisten.
Franz Hartel kam zunächst in das Stammlager I und wurde nach fünf Monaten in das Stammlager II versetzt. Zum Ende des Jahres 1941 verlegte man ihn in das Gefängnis Frankfurt-Preungesheim zurück, wo er vermutlich bis zu seiner Haftentlassung im Oktober 1942 blieb.