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Alliierter Lagebericht zur Strafanstalt
11.4.1945
Arolsen Archives

Am 11. April 1945 – zwei Wochen nach der Befreiung am 26./27. März 1945 durch die US-amerikanischen Truppen – gab der befehlshabende Captain einen Bericht über die Lage im Gefängnis Diez ab: Die Anstalt sei überfüllt, da insgesamt 629 Gefangene inhaftiert seien, obwohl es eigentlich nur Kapazitäten für 524 Personen gebe. 60 dieser Gefangenen wurden auf alliierte Anordnung festgehalten. 325 galten als „verurteilte Kriminelle“, 242 als politische Häftlinge; 2 Personen seien in Untersuchungshaft.

Insgesamt 354 Personen kategorisierte Captain H. F. Dame als „D.P.“ („Displaced Persons“) – Menschen, die sich aufgrund der NS-Verfolgung weit von ihren Heimatorten entfernt befanden und durch die Alliierten rückgeführt werden sollten.  

Captain Dame hielt in seinem Lagebericht auch fest, dass für die Einrichtung ausreichend medizinische Versorgung und Vorräte für etwa 15 Tage vorhanden seien, allerdings sei der Nachschub mangelhaft. Alle Insassen litten an Unterernährung, 17 seien krank, 2 an das Limburger Krankenhaus überstellt worden. Die sanitären Anlagen seien zwar angemessen, doch bestünde Bedarf an dem Desinfektionsmittel Chlorkalk und dem Insektizid DDT; dies lässt Rückschlüsse auf die hygienischen Bedingungen in der Strafanstalt zu.

Im Hinblick auf das NS-Gefängnispersonal berichtete Captain Dame, dass alle Angestellten aus ihren Positionen entfernt und selbst inhaftiert worden seien. Sicherheitsvorkehrungen gebe es keine, doch agierten die ehemaligen Gefangenen nun als Gefängniswärter. Auch die Akten des Gefängnisses seien alle vorhanden und in gutem Zustand. Die Aufstellung zeigt, dass die US-amerikanischen Streitkräfte mit der Befreiung sofort mit der herausfordenden Aufgabe konfrontiert waren, die Opfer der Nationalsozialisten zu versorgen sowie die Täter festzusetzen, während in anderen Regionen noch bis zur deutschen Kapitulation am 8. Mai 1945 weiter gekämpft wurde.

Ab Juli 1945 gehörte Diez zur neu geschaffenen französischen Besatzungszone, während Limburg in der amerikanischen Zone lag. Das NS-Personal der Strafanstalt Diez fiel damit unter die Rechtssprechung der französischen Militärverwaltung, es wurde im Rahmen der sogenannten Rastatter Prozesse angeklagt und bis 1950 in elf Fällen auch zu Strafen verurteilt, die, soweit heute bekannt, jedoch in den Folgejahren teilweise wieder ausgesetzt oder abgemildert wurden.


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